OPUS 01
Hören Sie eine gekürzte Folge der CD, in Form einer Collage der Werke, mit Informationen
zu den Komponisten und Kompositionen,
oder lesen Sie mit Musik weiter die folgenden Gedanken
von
Martin Fitzenreiter
Gedanken und Reflektionen zur CD Jakobsklänge OPUS 01
von Martin Fitzenreiter . November 2023
Jakobsklänge : Jakob – Klang – Musik
Jakob, „der (den Gott) beschützt“; Erzvater und Sohn des Isaak;
der sich an seines Zwillingsbruders Esau Ferse klammerte bei der Geburt,
so dass „man ihm gab den Namen Jakob,
Fersenhalter“ (Gen. 26)
und für ein Linsengericht die Erstgeburt erkaufte.
Zwei Namensdeutungen des Zweitgebornen, der sich in fugenhaftem Ringen den ersten Platz erschlich.
Ein Schelm,
den Engel um des Segens Willen
zu einem Ringkampf zwingend.
Auch fürderhin noch diesen Namen manche trugen;
der Bruder Jesu und der Jünger zween:
ein Älterer (Jakobus, Sohn des Zebedäus), ein Jüngerer (Jakobus, Sohn des Alphäus);
drei Themen tönend im Vielklang früher Christenheit,
auch ihre Lebenswege werden gern verwoben und Legende.
Des Älteren geköpfter Leichnam sei auf wundersame Weise im schifferlosen Schiff gereist
bis in den Norden Spaniens
und wurde dort zum Namensgeber,
auch für Santiagos auf der ganzen Welt.
Hochverehrt als Schutzpatron und – leider ja – als Matamoros:
Maurentöter.
Was kurz den Weg macht zu jenen Jakobinern, die manchen Kopf vom Körper trennten, wenig wundersam.
Es liegt ein Sehnen und ein Schmerz in solchen vielversponnen Sagen;
und dies wohl auch, weil ihre weitgezognen Pfade jenseits der allzu geraden Wege liegen.
Die sterngezierte Schalenhälfte der Jakobsmuschel
ist Zeichen solchen ringend Reisens; mit weit gespreizten Strahlen
zeigt sie dem Pilgernden die Richtung.
Ob diese Wege von einem Punkt aus sich verzweigen, ob sie von überall zu diesem Punkt hin laufen;
es bleibt offen.
Verwoben wie die Themen einer Fuge, ist jeder Weg und jedes Ringen am Ende doch das rechte,
kommt es denn zum Ziel: zusammen.
Und so ist es mit Ton und Klang
und das,
was diese Klänge führt:
Musik.
Von allen Klängen wohl den größten, strahlhaft wie das Muschelbild verzweigten,
besitzt die Orgel;
Königin der Instrumente.
So vielgestalt – aus tiefster Tiefe des Pedals
hinauf zum himmelnahen Zimbelstern,
von zartem Hauch bis tobendem Gebrüll – so polyphon
und doch so rein;
so mag kein anderes Instrument erklingen.
Die Orgel ist die Weltmaschine der Musik.
In sie hinein, aus ihr heraus verwinden sich die Sphären;
mit ihr gemeinsam klingt
der Raum.
Der Orgel Werk ist ein Gebäude
und so ist auch der hoch gewölbte Saal
ein Teil des Instruments.
Hier tönen Pfeifen ebenso wie Pfeiler,
hier weht der Orgelton gleich wie die Fenster strahlen,
und wie die Menschen wandelnd flüstern
webt auch der Klang sein warmes Tuch.
So hoch und hell der Raum
der Jakobskirche ist in Rothenburg,
so bläst der Orgelwind die Lauschenden hinauf zu einer Pilgerreise
durch Raum und Zeit, durch Klänge und Musik.
Mit Dietrich Buxtehude hebt die hohe Zeit der Orgel an.
Zu ihm ist Bach als junger Mann, als Zweitgeborener, gepilgert,
und so steht hier des Erstgebornen Präludium als Monument und Tor am Anfang.
Tritt man hindurch,
führt als das zweite Stück ein Intermezzo wie in einen Wald,
von Josef Rheinberger gerufen
als ein Wanderlied dem Pilger.
Um dann mit Bach
in frommer Zuversicht voran zu schreiten.
Verneigung und Umarmung des Geistes
jener frommen Wanderschaft
folgt nun in Felix Mendelssohns Sonate,
die wie von einem Kirchtum weit und hoch auf alles blickt,
was jene Alten – der Erst-
und recht erst noch der Zweitgeborene –
an Klängen haben aufbeschworen.
So etwa jenes fugenhafte Ringen
um des Segens Willen, das dann folgt:
Die große Fantasie von Bach,
nicht Kirchenklang nur und nicht nur Konzert –
ein Ganzes.
Und von hier oben, an einem Höhe- wie auch Endpunkt,
geht auf an einem andern Horizont in lichtgetauchter Seligkeit
Théodore Dubois' Gesang;
Aurora
einer neuen Glanzzeit für die Orgelklänge.
Und so entfaltete schließlich
César Frank die Schwingen
der nun französisch umgestimmten Orgel
zum Finale.
Und oben drauf,
weit angekommen in der Kirchturmspitze,
nah dem Himmel,
setzt Simon Preston tobend Hallelujas.
Es klingen Instrument und Raum,
es klingt das Licht und alle Bilder –
und am Ende,
wenn alles sich Ringen
vereint klingt,
dessen Wanderschaft ein Ziel gefunden hat –
der Mensch;
der Bruder Jakob,
versöhnt – verbrüdert! – und gesegnet,
wenigstens
für dieses Mal.
Das Programm der CD . Jakobsklänge OPUS 01
Dietrich Buxtehude . (1637-1707)
01 Präludium, Fuge und Ciacona in C-Dur, BuxWV 137 5:49
Josef G. Rheinberger . (1839-190
02 Intermezzo, aus "Sechs kurze Stücke" WoO 26 2:27
Johann Sebastian Bach . (1685-1750)
03-10 Partita 1-8 über ""O Gott, Du frommer Gott" BWV 767 15:58
Felix Mendelssohn Bartholdy . (1809-1847)
Orgelsonate D-Dur, op. 65 Nr. 5
11 Andante 1:15
12 Andante con moto 2:20
13 Allegro maestoso 6:08
Johann Sebastian Bach
Fantasie G-Dur (Pièce d’Orgue), BVW 572
14 Très vitement 1:56
15 Gravement 5:15
16 Lentement 1:53
Théodore Dubois . (1837-1924)
17 Cantilène religieuse 3:38
César Franck . (1822-1890)
18 Final, op. 21 14:03
Simon Preston . (1938-2022)
19 Alleluyas 5:33
Gesamtspielzeit: 66:17